
ZDF Heute Journal Update am 21.02.2025: Der Beitrag „Mensch oder Migrant?“ von Mona Trebing verweist mit einem knappen Ausschnitt auf die Analyse von Prof. Dr. Müller-Rensch zum Wandel der politischen Kommunikation in der Bundesrepublik.
Zum Wandel der politischen Kultur und Kommunikation
Verfolgt, vertrieben, schutzbedürftig oder krimineller „Asylant“ – ohne Zweifel macht Sprache etwas mit uns. Wie wir über Dinge sprechen, ist eben nicht folgenlos. Der Verwendungskontext von Begriffen und welche Gefühle und Assoziationen diese aufrufen, verändern sich dabei ganz natürlich im Verlauf öffentlicher Debatten, können aber auch gezielt und gesteuert mit neuer Bedeutung gefüllt werden. Dieser Mechanismus ist vielen politischen Akteuren nicht nur geläufig, sondern inzwischen selbstverständlicher Teil des politischen Repertoires. Ging es dabei noch vor wenigen Jahren vorrangig um Deutungshoheit, also darum, wer die Debatte prägt und überzeugt und wem am ehesten „Wissen“ und Expertise zu einem Thema zugetraut werden, geht es jetzt zuallererst um die Demontage des Gegners mit dem Ziel, dass dessen Deutung und Lösungsangebot abgewertet und als Endziel gar nicht mehr gehört werden.
Diese Logik ist Teil einer veränderten, wenn nicht gar einer neuen politischen Kommunikation in der Bundesrepublik: In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Welt für viele von uns zu einem bedrohlichen Ort geworden. Gefühlt bewegen wir uns von einer Krise in die nächste und von Pandemie, über gefühlt nahen Kriege bis zu Preisanstiegen werden wir ständig mit Schreckensmeldungen bombardiert. Als Reaktion auf diese Unsicherheit werden die Menschen grundsätzlich wieder sicherheitsorientierter – und aus Angst vor dem sozialen Abstieg auch aggressiver in tatsächlichen und vermeintlichen Verteilungskämpfen.
Einfache Antworten vermitteln Sicherheit und Stabilität
Entsprechend beobachten wir nicht nur in der Politik, sondern auch in unserem Alltag zunehmend eine soziale Polarisierung. Wenn wir noch weiter schauen, lässt sich das auch in der U.S. amerikanischen Gesellschaft und dem gerade vollzogenen Wahlkampf beobachten. Polarisierung, das bedeutet, dass die Unterschiede, nicht die Gemeinsamkeiten das Reden und Denken bestimmen. Und so wird der Umgangston rauer – in den Parlamenten, an den Stammtischen oder am Abendbrottisch. Im antidemokratischen, hier vor allem im wachsenden extrem rechten Spektrum, werden Kompromisse, das Kerngeschäft einer funktionierenden Demokratie, dabei als Schwäche gedeutet. Deren Deutungen und Botschaften sind in ihrer Einfachheit attraktiv: Einfache Antworten auf unsere komplexe Welt, wie sie Populisten formulieren, vermitteln Sicherheit und Stabilität. Eine Vater- oder Mutterfigur teilt die Welt ein in gut und böse, stark und schwach, Wahrheit und Lüge und verspricht uns: „Wenn Du auf mich hörst, wird alles wieder gut.“
Die politische Kommunikation gerade zur Wahlkampfzeit hat sich gleichzeitig in den letzten Jahren bei nahezu allen Parteien immer weiter von den Inhalten entfernt. Wählerinnen und Wähler sollen weniger rational als affektiv, also auf der Gefühlsebene angesprochen werden. Gleichzeitig wurden und werden im Wahlkampf stärker Fronten aufgemacht und Konkurrenten regelrecht zu Feindbildern stilisiert à la „Wir gegen die anderen“. In einer Demokratie produziert das schnell Erklärungsnot. Denn wenn dann mit eben jenen erklärten Erzfeinden eine Koalition gebildet und gemeinsam regiert werden muss, werden die gewählten Parteien und Politikerinnen schnell unglaubwürdig.
Parallel dazu ziehen sich viele Menschen heute wieder ins Private zurück, scheuen den Schlagabtausch und die offene Konfrontation. In den sozialen Medien hingegen werden Konflikte inzwischen in weiten Teilen nahezu ohne soziale Tabus ausgetragen. An „Shitstorms“, systematische Abwertung, Denunziation und Hetze haben wir uns gewöhnt. Durch die Unsichtbarkeit unseres Gegenübers und die vermeintliche Anonymität sind viele in Kommunikation und Verhalten gedankenloser und enthemmter. Durch die soziale Verinselung in der Pandemie wurde dieser Effekt noch verstärkt, so dass die Lautesten einzuschüchtern vermögen und so nach und nach aus einer scheinbaren Mehrheit eine tatsächliche werden kann.